Ist in der Krankenversicherung eine Tarifklausel für Kinderwunschbehandlungen, die für Mann und Frau ungleiche Höchstaltersgrenzen vorsieht, wirksam (hier: Tarif BestMed Premium der DKV AG)? Oder führt diese Ungleichbehandlung zur Unwirksamkeit der Klausel? – Das Landgericht München hat erhebliche Bedenken gegen die diskriminierende Klausel! 

Das Problem: Tarifklausel mit Altersgrenzen für IVF – Behandlung

Der Leistungsumfang einer Krankenversicherung ergibt sich u.a. aus dem Versicherungsvertrag, den AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen) und  den TB (Tarifbedingungen). Dort wird u.U. das generelle und weitgehende Leistungsversprechen auf Übernahme der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung dem Grunde nach (bei den Leistungsvoraussetzungen für einzelne Behandlungen oder Krankheiten) und / oder der Höhe nach (beim Leistungsumfang) eingeschränkt. Der VN (Versicherungsnehmer) sollte also vorher alles Kleingedruckte genau prüfen! Die inhaltlichen Gestaltungsfreiheiten für den Versicherer sind ziemlich weitgehend. Dennoch unterliegen die AVB und TB der Rechtskontrolle durch die Gerichte.

Mittlerweile sind auch diverse Tarifklauseln für den Bereich der Kinderwunschbehandlung „auf dem Markt“. Insbesondere bei neueren Verträgen sind „IVF – Klauseln“ durchaus häufig.

IVF – Klausel im Tarif BestMed Premium (DKV AG):

Die DKV AG will mit ihrer Tarifklausel 1.4.2 „Aufwendungen für Kinderwunschbehandlung (künstliche Befruchtung) ..“ im Tarif BestMed Premium (Stand 2010)  ihre Leistungen reglementieren und beschränken. Dort sind z. B. strikte Altersgrenzen vorgesehen; bei einem Überschreiten des Höchstalters sollen Leistungen für IVF – Behandlungen generell ausgeschlossen sein. Das widerspricht allerdings der Rechtsprechung, wonach stets die medizinischen Verhältnisse des konkreten Einzelfalles zu würdigen sind. Die DKV setzte in ihrem Tarif BestMed Premium willkürlich ein weibliches Höchstalter von 40 Jahren und davon abweichend ein männliches Höchstalter von 50 Jahren fest. Das deutsche IVF – Register belegt jedoch, dass eine günstige medizinische Erfolgsprognose im „Durchschnittsfall“ aber auch jenseits von 40 Jahren (Frau) noch besteht.

Hier ging es um eine IVF – Behandlung im Sommer 2013; der Mann war 1964 geboren, seine Frau am 02.01.1971. Sie war also zum Zeitpunkt der Behandlung ca. 42,5 Jahre alt, also über dem Höchstalter, welches der Tarif vorschreiben wollte. – Allein aus diesem Grund lehnte die DKV AG eine Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von ca. 4900 € ab.

Der Prozess:

Das Amtsgericht München wies leider unsere Zahlungsklage auf Erstattung der IVF – Kosten unter Hinweis auf die Tarifklausel ab. Einwände gegen die Wirksamkeit der Tarifklausel ließ es nicht gelten. Daher sei auch keine Prüfung der medizinischen Erfolgsaussichten der Behandlung bezogen auf den konkreten Einzelfall nötig, so das Amtsgericht.

Das Landgericht München I sah nach unserer Berufung die Sache anders. Nach Geschlecht ungleiche Altersgrenzen sind demnach nur eingeschränkt möglich. Sie müssen auch im Einklang mit dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) sein. Dazu gehört es zunächst, dass die Versicherung eine aktuelle, fundierte versicherungsmathematische Risikokalkulation anstellt, welche die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung begründen kann.

Zu diesem Hinweis wollte oder konnte die DKV nichts vortragen; statt dessen bot sie nun im Vergleichswege an, die Hälfte der Behandlungskosten zu erstatten.

Unser Mandant nahm das Vergleichsangebot an, da er den Prozess, der ihn und seine Frau psychisch belastete, möglichst rasch beenden wollte und ihm ein Teilerfolg genügte. Andernfalls hätte ein medizinisches Gutachten eingeholt werden müssen, was wegen der fehlerhaften Auffassung des Amtsgerichts bislang unterblieben war. Solange wollte sich unser Mandant mit dieser Thematik nicht mehr beschäftigen. – Der Versicherung wird das recht sein, da es so zu keiner Verurteilung kommen konnte.